Samstag, 21. November 2009

Dogmatismus: Lars Fischer (Fischblog), Fabian Seyfried und intellektuelle Überforderung.

Letzten Freitag (es war übrigens der 13.) ging es hier bei GWUP.WATCH um Fischblog-Herausgeber Lars Fischer und drei Todsünden eines Wissenschafts-Journalisten. Lars Fischer hatte sich gemeinsam mit befreundeten Bloggern aus der streng dogmatischen Skeptiker-Szene an einer Kampagne gegen die Uni Magdeburg beteiligt und dabei wissenschaftliche Quellen selektiv sowie falsch zitiert. Standen Freitag zunächst Stilfragen (Agitation) im Vordergrund, so geht es heute um die Logik der Argumentation. Weil sich Fabian Seyfried, Kollege und Gesinnungsgenosse von Lars Fischer, bei Twitter zu Wort meldete, sollen ihm hier auch noch einige Zeilen gewidmet werden.



Eine Streitschrift von Lars Fischer (Fischblog)
„Nun ist Homöopathie bereits mehrfach ausführlich wissenschaftlich überprüft worden, mit eindeutigen Ergebnissen. Damit sollte das Thema für eine Universität gegessen sein. Ist es aber offenbar nicht.“ Diese Worte stammen von Lars Fischer. In einer gegen die Uni Magdeburg gerichteten Streitschrift brachte Fischer seine große Verärgerung über den von DZVhÄ und Universität angekündigten Masterstudiengang Homöopathie zum Ausdruck. H.Blog-Herausgeber Claus Fritzsche wiederum nahm die emotionalen Aufwallungen zum Anlass, Lars Fischers Darstellung genüsslich einem Münchhausen-Test zu unterziehen. Und siehe da: Es stellte sich heraus, dass Lars Fischer den aktuellen Forschungsstand Homöopathie selektiv und falsch dargestellt hatte. Motto: große Klappe und nichts dahinter ...

Experten zum Stand der Homöopathie-Forschung
PD Dr. Klaus Linde vom Zentrum für naturheilkundliche Forschung der TU München und vom Deutschen Cochrane Zentrum sowie Prof. Dr. med. Claudia M. Witt vom Institut für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitsökonomie der Charité schreiben im Kapitel 13 Wissenschaftliche Grundlagen und Forschung des im März 2008 publizierten Kursbuch Homöopathie:

„Gegenwärtig sind über 300 kontrollierte Studien zur Wirksamkeit der Homöopathie publiziert, allerdings weniger als ein Drittel davon in Zeitschriften mit einem Gutachtersystem (Lüdtke 2005). Von diesem Drittel wurde nur der kleinere Anteil in konventionellen Zeitschriften veröffentlicht, der größere erschien in Zeitschriften, die auf Forschung und Wissenschaft in der Komplementärmedizin spezialisiert sind. Darüber hinaus liegen viele Studien nur als Abstracts in Proceedingbänden komplementärmedizinischer Forschungskongresse vor (Lüdtke 2005). Placebokontrollierte klinische Studien zur Homöoapthie wurden nur bei einer selektierten Auswahl von Diagnosen (z. B. allergische Rhinitis, Migräne) durchgeführt. Die bisherigen systematischen Übersichtsarbeiten, die die Ergebnisse der placebokontrollierten Studien zusammenfassen (Kleijnen 1997, Linde 1997, Shang 2005), zeigen kein einheitliches Ergebnis, so dass die Frage nach der Überlegenheit homöopathischer Arzneimittel über Placebo noch nicht abschließend geklärt ist.

(Dieses Zitat wird im H.Blog durch weitere Aussagen ergänzt. Wer sich für die Details interessiert, der sollte den vollständigen Artikel lesen.)

Lars Fischer zitiert selektiv und falsch
Als Fazit seines Münchhausen-Tests stellt Claus Fritzsche fest:

„Sieht man einmal davon ab, dass die Darstellung von Lars Fischer durch große Wissenslücken, fehlende fachliche Kompetenz und emotionale Verstrickung geprägt ist, so macht er in seinem Kommentar »Homöopathie an der Uni Magdeburg« folgende Fehler, die in einem wissenschaftlichen Kontext als unseriös eingestuft werden:

1. Lars Fischer zitiert selektiv bzw. unvollständig. Wer auf die Arbeit von Shang et al. 2005 verweist (vermutlich, ohne sie überhaupt beurteilen zu können), der muss auch auf die Übersichtsarbeiten von Kleijnen 1997, Linde 1997und Lüdtke/Rutten 2008 verweisen.

2. Wahrscheinlich in Unkenntnis der Fakten zitiert Lars Fischer auch noch falsch. Lüdtke/Rutten haben 2008 auf grobe handwerkliche Fehler der Arbeit von Shang et al. 2005 verwiesen, welche den THE LANCET herausgebenden Verlag Elsevier zur Veröffentlichung der folgenden Pressemeldung »New evidence for Homeopathy« veranlassten. Die von Lars Fischer behaupteten jedoch nicht belegten eindeutigen Ergebnisse gibt es nicht.“

Die Reaktion von Lars Fischer
Spannend ist nun, wie Lars Fischer auf die Kritik an seinem Magdeburg-Artikel reagiert. Geht er auf die Argumente im Detail ein? Kontert er mit neuen Fakten? Weist er PD Dr. Klaus Linde und Prof. Claudia Witt Fehler nach? Nichts von alledem. Im Kommentar-Bereich seines Blogs antwortet er Fritzsche mit folgenden persönlichen Angriffen (Übersprungreaktion?):

„Immer noch am Hausieren? Wo wir grad beim Thema selektives Zitieren sind: Wie ist eigentlich die Auswahl meiner Tweets in dem Post zustande gekommen? Fortgeschrittene geistige Verwirrung, wie üblich? Zur Erinnerung: Du bist derjenige, der dafür bekannt ist, kritische Kommentare zu löschen (und sogar die eigenen, weil sie dir peinlich sind).“

Auf eine inhaltliche Diskussion lässt sich Lars Fischer sicherheitshalber nicht ein. Fritzsche schreibt gegen Ende seines Münchhausen-Tests:

„In einem zweiten Kommentar betonte ich im Fischblog von Lars Fischer, dass meine obige Textpassage »Lars Fischer zitiert selektiv & falsch« sowie die dort genannten Argumente auch dann Gültigkeit haben, wenn ich der Web2.0-Löschkönig wäre. Dieser zweite Kommentar wurde von Lars Fischer gelöscht. Seinen rauhen bis aggressiven Umgangston (auch gegenüber anderen Diskussions-Teilnehmern) interpretiere ich als Bestätigung meiner Annahme, dass es hier um wissenschafts- und journalismusferne Motive geht.“

Verständnisprobleme von Fabian Seyfried
Fabian Seyfried ist wie Lars Fischer freier Wissenschafts-Journalist und begleitet Herrn Fischblog bei Twitter freundschaftlich. In einem Tweet wagt er den Versuch eines polemischen Kommentars:



Keine Frage, eine menschliche Reaktion. Für eine fundierte Argumentation im Detail reicht die Fachkenntnis von Fabian Seyfried nicht aus. Polemische Kommentare sind da eine gute Alternative (Übersprungreaktion?). Sie demonstrieren Solidarität, Überlegenheit bzw. „pubertäre Lufthoheit“. Ein kurzer polemischer Kommentar schützt insbesondere vor einer aktiven inhaltlichen Auseinandersetzung mit Argumenten. Im vorliegenden Fall demonstriert der polemische Kommentar von Fabian Seyfried allerdings auch seine Verständnisprobleme und sein intellektuelles Niveau.

Zitat Fabian Seyfried:
„@Fischblog Genau. Dass man ja nicht logisch verstehen könne, wie Verschränkung funktioniere, ergo auch nicht Homöopathie verstehen müsse.“

Fabian Seyfried bezieht sich hier auf eine Aussage, die allerdings einen vollkommen anderen Wortlaut und eine andere Bedeutung hat.

Zitat Claus Fritzsche:
„Es ist epistemologisch und wissenschaftstheoretisch nicht zulässig, von einem theoretischen Modell (homöopathische Hochpotenzen enthalten keine Atome der Ursprungssubstanz) auf ein empirisches Phänomen (daher können sie nicht wirken) zu schließen. Wäre es zulässig, dann dürfte es das quantenphysikalische Phänomen der Verschränkung nicht geben. Verhalten sich beispielsweise verschränkte Photonen über eine Distanz von 144 Kilometern so, als würde es sich um ein System handeln, so ist dies ein klarer Verstoß gegen unser kausal deterministisches naturwissenschaftliches Weltbild. Weil Zwillings-Photonen in praktischen Experimenten jedoch keine Rücksicht auf unsere Plausibilitäts-Vorstellungen genommen haben, musste die Physik - vom Phänomen auf das Modell schließend - ihre Theorie an die Realität anpassen und Sonderregeln für den subatomaren Raum schaffen. Gleiches gilt auch für die Homöopathie. Auch hier darf nur vom Phänomen auf das Modell geschlossen werden.“

Hier ist nicht die Rede davon, dass die Quantenphysik nicht verstanden wird und ergo auch die Homöopathie nicht verstanden werden muss. Wenn Sprache Sinn macht, dann ist hier die Rede davon, dass der Schluss von einem theoretischen Modell auf ein praktisches Phänomen epistemologisch und wissenschaftstheoretisch unzulässig ist.

Mit anderen Worten: Das, was in wissenschaftlichen Experimenten an Phänomenen beobachtet wird, kann zur Bildung eines theoretischen Modells herangezogen werden. Der Umkehrschluss ist hingegen wissenschaftstheoretisch nicht zulässig. Die Erde ist nicht deshalb eine Scheibe, weil theoretische Vorstellungen des Mittelalters dies so forderten. Isaac Newtons Gesetze der Mechanik gelten nicht im subatomaren Raum, weil die für unsere Makrowelt bestätigten Gesetze dies so fordern. Was zählt ist einzig und allein das experimentell bestätigte Phänomen.

Diese Logik ist scheinbar so anspruchsvoll, dass sie Fabian Seyfried intellektuell überfordert. Für einen Wissenschafts-Journalisten des Jahres 2009 sollten es Basics sein.
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Über den Verein GWUP e.V.:
Eselwatch: Wiki-Eintrag „GWUP“
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